RMS Hildesia steht auf Russland, auf nach Polen im Galopp

Da bricht er an der Tag der uns in das 10 Land der Baltic Sea Circle begleiten wird. Wir wollen nach Polen. Nach Danzig. Die Stadt liegt mir persönlich sehr am Herzen, denn zum einen soll es eine wirklich schöne Stadt an der Ostsee sein. Zum anderen möchte ich das Geburtshaus meine Mutter besuchen. Den damaligen deutschen Straßennamen Glashüttenweg 34 konnte ich schon vor einiger Zeit dank intensiver Recherche auf den jetzigen polnischen Straßennamen Szklana Huta matchen. Als sie mit meiner Oma 1945 flüchten mussten und in den Westen gekommen sind war sie 4 Jahre alt. Und hat immer noch tiefe Erinnerungen an diese Zeit. Über Google Street View konnten wir sogar das Haus optisch wiederfinden, heute möchte ich es live sehen. Ich habe keinen Plan was ich da machen möchte, vielleicht klingeln? Erster Gedanke ist dass unsere Fahrzeuge so stark auffallen dass die Bewohner und Nachbarn schon deswegen uns ansprechen. Und daraus kann man vielleicht dann auf dieses „Thema“ zu sprechen kommen. Ist ja auch nicht ganz einfach. Aber überraschen lassen.

Erst mal Frühstück. Spezielle Wünsche wie Omelett mit Käse, Bacon und Tomaten erfüllt der Koch hinter dem Tresen sehr gerne. Danach Klamotten packen, auschecken, und auf geht es in Richtung Polen. Wir hoffen dass jetzt um diese Zeit noch nicht so viele an der Grenze sind und die Einreise nach Polen schnell über die Bühne geht. Wir möchten ja Zeit in Danzig investieren. Die Fahrt aus Kaliningrad heraus gestaltete sich so wie die kleine Tour gestern in Kaliningrad. Grau und trist. Die 50 km bis zur Grenze sind schnell abgespult. Es gab einen kleinen Stau vor der Ausreise. Nichts dramatisches. Und zu unserer Überraschung sind die russisches Grenzer sehr entspannt. Keine Sichtkontrolle, Einreise Papier abgeben, das ist sehr wichtig sagte uns irgendwie die Hälfte der Weltbevölkerung. In diesen Zusammenhang fiel mir auf dass ich noch das Einreisepapier der ersten RUS Grenze hatte. Naja, ist wohl doch nicht so wichtig. Dieser hier wollte aber das Dokument haben. Und dann erst hieß es warten, warten, warten. Die polnische Grenze ließ immer nur max. 10 Fahrzeuge zur Abfertigung. Und die scheint zu dauern. Wir konnten die Grenzkontrolle auf polnischer Seite sehen, sie war echt noch sehr weit weg. Und so standen wir da halt 3 Stunden rum. Irgendwann kamen wir dann auch in den Genuss der Top 10 zu sein. Wir fädelten uns sehr weit rechts ein. Von einem polnischen Grenzer bekamen wir den Hinweis das wir uns bitte auf einer anderen Spur einordnen sollen. Alle drei Fahrzeuge machen eine 270 Grad Kehre. Ich merke plötzlich dass irgendwas nicht stimmt, ich habe keine Servolenkung Unterstützung mehr. Zig Lampen im Cockpit fangen an zu leuchten und zu blinken. Keilriemen gerissen war meine erste theoretische Diagnose. Wie verwöhnt man doch von so einer blöden Ölpumpe abhängig ist, wie habe ich das eigentlich früher gemacht, so ohne Servolenkung, geschweige dann sowas wie einparken. Ich habe ich jedenfalls gleich darauf eingestellt die letzten 1.000 km ohne Servolenkung zu fahren und in Hamburg Oberarme wie Herkules zu haben. Eigentlich kein schlechter Gedanke bei meinen Spagetti Ärmchen. Ins Leben zurückgeholt hat mich dann die Realität, denn damals ohne Servo hatte ich die gleichen Arme wie heute. Naja, ein bisschen träumen wird ja noch erlaubt sein.

In die neue Schlange eingefädelt und dabei das Gefühl zu haben gerade einen Doppel T-Träger verbogen zu haben musste ich aufpassen die Motorhaube nicht ohne Entriegeln zu öffnen. Und da hatten wir den Keilriemen Salat. Alles ganz. Total geil dachte ich, ist ja komplett easy, Riemen wieder rauf und weiter geht die große Fahrt. Pustekuchen. Erstens, wir standen als drittes Auto vor der Abfertigung an der polnischen Grenze, hatten über 3 Stunden auf diesen Moment gewartet. Zweitens, ich rege mich selber immer tierisch darüber auf wenn Verkehrsteilnehmer bei minimalsten Bagatellschäden an ihren Fahrzeugen erst mal für 2 Stunden die Kreuzung blockieren. Mir doch egal, ich warte bis die Polizei da ist und mir dann sagt dass was ich machen soll. Die Karre von der Kreuzung entfernen natürlich. Was scheren mich denn gefühlt 50km Stau in der City von Köln. Bei 40 Grad Außentemperatur, plärrende Kinder schreien nach Eis das die Hölle gefrieren läßt. Und Pipi, jeder muss plötzlich auf Toilette, warum ist das? Und diese Vollhorste mit ihre Karre auf der Kreuzung und einer Beule die man mit einem Radioskop kaum erkennen kann habe innerhalb von 3 Sekunden 6.500 neue Freunde die nur ihr Bestes wollen, sie umbringen. Und nein, darauf hatte ich keine Lust. Hinter uns war gefühlt eine Schlange bis zur mongolischen Grenze. Also flott geschaut, geht es schnell zu reparieren? Natürlich nicht. Für die Touristen an der Grenze noch schnell einen auf oberwichtig gemacht und unters Auto gelegt. Bekommt man im Grenzverkehr auch nicht jeden Tag geboten. Half aber alles nichts, irgendwann musste ich dann auch mal mein Gesicht der polnischen Tamara Jagelovsk zeigen. Schweiß auf der Stirn, Schmiere an den Wangenknochen, animalischer Blick. Ich muss ehrlich sagen, das sie ihre Gefühle streng unter Kontrolle hat, sie ließ sich nichts anmerken. Vielleicht fand Sie mich auch einfach nicht attraktiv. Wenn ich mir mein Foto im Reisepass ansehe würde mir selber die Lust auch vergehen. Sehr schlau war auch die Frage nach dem Inhalt des Benzin im Tank des Santa Fe. Ich hatte mal 50 Liter gesagt, ohne zu wissen dass dieses die Höchstgrenze an Sprit ist den man in Polen einführen darf 50 Liter ist. Uuuii, Glück gehabt, auch dass die 40 Liter Reserve Sprit den wir ja schon nach Norwegen angeblich hätten nicht mitführen dürfen auf ihrer abgewandten Fahrzeugseite auf dem Dachträger festgezurrt sind. Alles fein, wir können über die Grenze. Schieben. Es ist heiß, ich habe warum auch immer eine lange Jeanshose an, es sind Temposchwellen die es zu überwinden gibt und 15 Meter können ganz schön lang und anstrengend sein. Aber auch hier haben wir uns natürlich nichts anmerken lassen. Lächeln und winken. Der Spruch hat uns schon 2016 das Leben bei der AOR gerettet.

Dann mal ran ans Werk den Keilriemen wieder auf die Riemenscheibe friemeln. Es war schnell klar dass das pinkfarbene Sissi-Werkzeug von Tanja und Sven besser aussieht als funktioniert. Also musste der männliche Werkzeugkoffer runter vom Dach. Abgeschnallt und los. Die erste wichtige Schraube für den Spanner des ersten Keilriemen gibt wunderbar zu lösen. Die zweite Spannschraube für den Keilriemen Lichtmaschine, Wasserpumpe dafür gar nicht. Mein ach so männliches Werkzeug ist halt doch nicht so männlich, sondern aus China und nicht aus dem bergischen Land.

Unabhängig davon hat Jörn bemerkt dass die Riemenscheibe die direkt am Motor auf der Kurbelwelle sitzt schief steht. Mein Satz, dass muss so sein wurde innerhalb von 3 Millisekunden mit einem Füllhorn an technischen Gegenargumenten entkräftet. Ok, und nun? Mal die Riemenscheibe ansehen vielleicht? Gesagte, getan. Ein paar Verkleidungsteile weg damit am besser an diese verdammte Riemenscheibe kommt. Wir mussten uns nicht groß bemühen die Riemenscheibe zu kontrollieren. Sie fiel uns eigentlich, sehr werkstattfreundlich gleich im ganzen Stück entgegen. Mega-Scheiße, das Teil ist irgendwie mit dem Hartgummi Dings Bums verklebt, jetzt nicht mehr. Selbst wenn wir den Keilriemen da rauf bekommen, es ist eine Frage der Zeit, Jörn sagt 5 Sekunden, wann das wieder abfliegt. Immerhin können da mal schnell 5.000 Umdrehungen drauf sein. Zum Glück, und das stellte sich später als den Umstand heraus überhaupt weiterfahren zu können, war alles völlig intakt. Also die Riemenscheibe war ganz, nicht gebrochen. Das Hartgummi auf der Welle war in Ordnung und nicht zerfetzt. Die Riemenscheibe passte saugend-schmatzend auf das Hartgummi. War halt nur nicht fest.

Aber wie jetzt weiter? 1. Alternative, man könnte ja mal den Pannenservice anrufen,. Wir sind ja seit 15 Meter in Europa. Gesagt, getan., nicht die Gelben sondern die Orange-farbenen hatten die Ehre ein FuntasticSix Lapplandschiff in das 1.000 k entfernte Hamburg zu schleppen. Ok, Danzig (50 km) hätte auch gereicht, wir sind ja kompromissbereit. Man merkte am Telefon schnell dass diese Art der Pannenhilfe für die Strecke nicht ein alltäglich Auftrag ist. Sichtlich überfordert sagte der Kollege am Telefon er würde sich melden.

2. Alternative: Die berühmte Roter Alarm WhatsApp Gruppe. Man glaubt es kaum. Innerhalb von 3 Minuten hatten wir mehrere Rückmeldungen. Der Werkstattwagen mit der interessanten Startnummer 666 war schon in Danzig, hätte umkehren müssen oder ggf. auf uns warten. Sie haben sehr nützliche und hilfreiche Tipps gegeben. Und sie hätten uns auch geholfen, wenn nicht zufällig direkt im Anschluss sich Thomas Rüstenberg vom Team #093 BG3 Vänskap gemeldet hätte. Er war mit dem Team #217 (Purzle Thunder) 3 km hinter uns, hat alles dabei was wir brauchen um den Karren wieder flott zu machen. Jackpot würde ich sagen. Ich hatte ja schon mal erwähnt dass die gegenseitige Hilfe untereinander ein ganz hohes Gut bei dieser Rallye ist. Man spürt das ganz besonders wenn man mal selber in Not ist. Einfach klasse. Den einzigen Wermutstropfen in dieser Situation war nur dass die 3 km hinter uns die gefühlt halbe Menschheit vor der polnischen Grenze bedeutet. Also mindestens 4 Stunden Wartezeit bis das Team rund um Thomas bei uns eintreffen. Den Werkstattwagen 666 haben wir Bescheid gesagt dass wir die Hilfe von Team BG3 Vänskap annehmen, sie also weiterfahren können.

Zwischenzeitlich hat der Orange-farbene Abschleppdienst angerufen. Ein Pole, der kein Wort Englisch spricht. BTW: Auch kein deutsch. Durch Zufall kam gerade ein polnischer Grenze um die Ecke und wurde durch SiMone mehr oder weniger „bereit erklärt“ den Übersetzungshans zu machen. Das hat mehr oder weniger gut geklappt. Wieviel Gesamtgewicht das Fahrzeug hat. 2 Tonnen habe ich mal geschätzt, 1.600 kg das Fahrzeug leer, mit dem ganzen Drum und dran sind da noch mal schnell 200 – 300 kg drauf. Und ein bisschen Sicherheitspuffer ist auch nicht verkehrt. Die kalkulieren tatsächlich den Transport bis Hamburg. Respekt. Zwischenzeitlich waren es knapp 40 Grad auf dem Fleck wo wir uns gerade befanden. Zeit die Sonnencreme raus zu holen, die Decke auf dem Rasen auszubreiten und mal ein bisschen Bräune tanken. Was sollen wir sonst tun? Jörn hatte auch schon die Idee die Riemenscheibe mit Sekundenkleber festzukleben. Ich hatte aber Bedenke dass wir das nicht plan und ohne dass es hinterher wieder eiert festbekommen. Der Pannendienst meldet sich. Ob wir bereit wären einen Teil, den man nicht nennen kann, dazu zu bezahlen? Ok, wir zücken die Karte „Danzig reicht“. Ich melde mich gleich. BTW: Auf den Rückruf warten wir heute und jetzt (01.07. 19:14) immer noch. Aber irgendwann hatten auch alle Grenzer auf der polnischen Seite mit uns Erbarmen, öffneten zwei weitere Tracks im Grenzübergang und nach flotti 6 Stunden war die Hilfe da. Das ganze wieder fahrtauglich zu machen hat ca. noch mal eine Stunde gedauert, aber das war ein optimal investierte Zeit. Die beiden Teams die uns zur Hilfe eilten haben sich erst auf der BSC kennen gelernt und sind seitdem zusammen unterwegs. Sehr fachmännisch wurde nun das ganze Geraffelt wieder zusammengeklebt, optimal justiert und die beiden Keilriemen wieder eingefädelt und gespannt. Und es hat funktioniert. Das lief sauberer und leiser als jemals zuvor. Was bedeutet dass das leichte eiern der Riemenscheibe schon immer so war und daher auch das mehr oder wenige hörbare Gequietscht herkam. Das eigentliche Gegenmittel dazu, Musik lauter hat nicht ganz funktioniert wie wir heute schmerzlich festgestellt haben.

Noch mal ein bisschen abwarten und den Kleber aushärten lassen. In der Zwischenzeit PS Geflüster über das erlebt wurde und welche Eindrücke verarbeitet worden sind. Für uns war klar, Danzig wird nicht mehr angefahren. Wir schaffen es zeitlich einfach nicht. Der Plan war ja eher Danzig am frühen Nachmittag zu besuchen und gegen späten Nachmittag dann bei mindestens Stettin zu übernachten oder noch weiter. Morgen, also Sonntag ist Zieleinlauf in Hamburg. Wir möchten gerne gegen 16:00 Uhr in St. Pauli an den Landungsbrücken aufschlagen. Erschwerend kommt jetzt noch hinzu, dass wir nicht mehr als 2.500 Umdrehungen auf der Welle haben dürfen. So gut und so schön sich die geklebte Riemenscheibe anfühlt und anhört, die doppelte Drehzahl auf der Welle ist zu gefährlich. Der Plan B, alle 50-80 km die Batterie mit dem anderen Santa Fe zu tauschen weil die Lichtmaschine natürlich keinen Ladevorgang mehr ausüben kann wurde auch beerdigt. Zum einen wären wir dann wahrscheinlich am Mittwoch noch nicht in Hamburg, wichtiger ist aber die Tatsache dass nicht zuerst vermutet die Wasserpumpe über den Zahnriemen angetrieben wird sondern doch über den Keilriemen. Nur bei Diesel Motoren wird der Zahnriemen mit der Wasserpumpe verbunden. Wir fahren aber Benziner. Es muss also klappen mit der geklebten Riemenscheibe, sonst ist Feierabend. Oder am Montag eine neue Riemenscheibe besorgen. Dort wo wir liegen bleiben 🙂

Also, auf geht’s. Die very helpful boys and girls vom Team #093 und #217 brausen davon. Ich bin immer noch geflashed von dieser mega tollen Hilfsbereitschaft. Ist auch egal, ob es Zeit kostet oder man sich die Hände schmutzig macht. Direkt und unkompliziert. Sehr geil. Das hat bei mir einen sehr großen Stern verdient. Nee, 5 davon.

Auch wir brechen auf, es fühlt sich alles gut an. Wir fahren unsere 80-90 km/h, ungefähr 2.250 Umdrehungen pro Minute. Nach ca. 30 Minuten kommen wir an einem McDonald vorbei. Außerhalb der Reihe muss was zu essen her. Und eine Cola Zero. Eiskalt, es war die beste Cola in meinen. Leben. Die hat geschmeckt als gäbe es keine Morgen. Die lauwarme Brühe die sich Mineralwasser nennt war nicht mehr trinkbar. Die Temperaturen hatten mit gar nichts bei uns im Auto Gnade. Wir fuhren an Danzig vorbei (snief) weiter in Richtung polnisch/deutsche Grenze. Gegen Mitternacht haben wir einen Campingplatz in der Nähe von Henkenhagen, direkt an der Ostsee. Ziemlich in der Mitte zwischen Danzig und Stettin. Wir haben noch drei Flaschen Bier, die haben wir uns heute redlich verdient. Und auch das hat besonders lecker geschmeckt. In diesem Sinne, gute Nacht. Morgen ist der letzte Tag. Es geht nach Hamburg. Dann ist die Baltic Sea Circle 2019 beendet. Und wir haben uns zum Ziel gesetzt mit allen drei Lapplandschiffen und aus eigener Kraft die Ziellinie zu überqueren. Ihr wisst es ja schon, aber auch das ist noch ein Abenteuer was wir bestehen und welches ich euch noch ein wenig näher bringen möchte. Also stay tuned.

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