Verkehrsberuhigte Zone Istanbul – Verkehrsplanung AOR OK setzt neue Maßstäbe

Tag 4 | 03.05.2016
gefahrene Strecke 506 km | Karlowo (BG) – Istanbul (TR)

Da war es wieder das knock knock knock von Jörn um 06:10. Wie schon vor zwei Tagen im Auto geschlafen, nicht schlimm, nur unbequem so hinter dem Lenkrad zu schlafen. Hinzu kommt noch der Umstand dass das Omega irgendwie kürzer geworden ist. Oder ich länger. Die Rückbänke sind ja komplett umgeklappt, die Vordersitze lassen sich in den Schienen nicht mehr weit genug nach hinten schieben. Das hatte ich so nicht in Erinnerung gehabt. So kommt es dann auch, dass nach einiger Zeit auch mein Knie schmerzt. Ich sitze beim fahren nicht optimal, und zum schlafen erst recht nicht. Aber die Nacht ist ja nun vorbei.
Ich beschreibe kurz die Schritte vom aufwachen bis zur Abfahrt
  • Aufwachen durch knock knock knock
  • Schirmmütze richten
  • Augen reiben
  • Guten Morgen Kuss für siMone
  • Zündung an, Fahrerseite Fenster runter
  • Jörn „Guten Morgen“
  • Ich „Moin“
  • Decke weg, erst mal zu siMone rüber
  • Motor starten
  • losfahren
Das sind die ersten 2,5 Minuten des neuen Tages. Schräg gegenüber ist eine Bushaltestelle. Leute warten dort auf den Bus und schauen ein wenig ungläubig das die Autos die da stehen plötzlich mit emsigen Leben gefüllt sind. Und einfach so losfahren.
Unser heutiges Tagesziel: Istanbul. Die Stadt die mindestens 200x mehr Einwohner wie Hildesheim hat.
Es geht los. Kein schönes Wetter heute. Nach gefahrenen 500m ein Hotel auf der linken Seite. Zur Kenntnis genommen, ich sage nichts. Mein iPhone 2G dudelt seine Playlist im Shuffle-Mode runter. Die erste Tankstelle naht. Jetzt erst mal schön Kaffee trinken. Ok, es gab nur Espresso (warum auch immer), sonst nichts. Und der war für die Verhältnisse auch nicht so schlecht. Kurzes Vier-Update, was machen wir wie, warum und wieso. Danach ging die Fahrt weiter. Die Straßenverhältnisse waren wieder auf normalen Niveau angelangt, Nach einiger Zeit zwang uns eine menschliche Bedürfnispause zum rechts ranfahren und halten. Simone hat einen neuen Trick parat sich dem Bedürfnis zu entledigen. Details vielleicht später. Irgendwie kam jemand auf die Idee, man könnte hier auch Zähne putzen. So am Straßenrand auch keine schlechte Idee, Die Playlist spielt gerade „Disco Inferno“ Die Wiedergabe im RMS Hildesia ist nicht schlecht. Ordentlich bumms und so. Also für das was Ende der 90er so bumms im Auto war ohne dass man Regentonnengroße Ausschnitte in Türen und Heckablagen gesägt hat. Anyway, Lautstärke nach oben gedreht und ein lustiges 4er Zähneputzen im Takt der Musik wurde dann auch gleich die GoPro Frontkamera aufgezeichnet. Ordentlich beschwingt ging es weiter. Ca. 80km weiter kam die nächste größere Tankstelle. Ein ordentlicher Kaffee sollte es nun sein. Und free Wifi. Die meist gesprochene Wortkombi während der Rallye überhaupt. Es ist dann auch immer schön anzusehen, wenn die ersten 5 Minuten erst mal alle ruhig sind und das Facebook Profil mit neuen Statusmeldungen gespickt wird, bzw. die Timeline gescrollt wird. Dann die ersten Wortmeldungen … „Oh weia, Team 90 hängt seit gestern mit Motorschaden an der bulgarischen Grenze fest.“, Wo liegen wir eigentlich im Vergleich zu den anderen Teams. Das GPS Tracking zeigt die Reihenfolge der Teams in gefahrenen Kilometern, nicht wer näher am Ziel ist. Das Team welches als über Wladiwostok fährt hat pauschal schon mal gewonnen, egal ob es jemals türkischen Boden befährt. Ok, weit ausgeholt. Wir stehen aus Sicht der Distanz zu Istanbul nicht schlecht da. Auf jeden Fall unter den ersten 10.
Der Facebook Alarm zeigt das Roland Köke Geburtstag hat. Wir hätten das natürlich auch ohne Alarm nicht vergessen, allerdings hatten wir per Videobotschaft schon am Vortag gratuliert. Das Video wird aber Bestandteil unseres Blockbuster FuntasticSix – Spirit of Orient reloaded. D.h. Roland wird das erst nach seinem Geburtstag zu sehen bekommen. Jetzt im freien WLAN gab es dann noch mal einen Videopost per Facebook für Roland. Von hier auch noch mal, „Happy Birthday“ alter Freund. Und immer die richtige Temperatur am Weber Grill. Nach den üblichen Statusupdate ging es dann weiter. Nebenbei noch schnell vollgetankt. Umgerechnet 53 Euro für über 60 Liter Sprit. Da lacht das Autofahrerherz
Die Grenze von Griechenland erreichen wir um 11:10. Dieses Mal sind wir vorbereitet und stehen nicht ungläubig vor der Grenze. Denn 2014 hatten wir das kleine Stück Griechenland (ca. 25 km) nicht auf der Roadmap. Die Einreise erfolgte zügig. Jörn hat gleich die Pässe für uns vier vorgezeigt. Der Grenzbeamte hat uns dann direkt durch gewunken. Ist schon sicher so eine Grenze.
Es folgte die Einreise in die Türkei. Ich glaube wir hatten wirklich Glück. Vor uns standen ca. 15-20 Autos, die blockweise (4 Autos) dann zu den Grenzbeamten geleitet wurden. Von einem anderen Team haben wir gelesen das die um 01:20 die Fahrzeuge komplett entladen mussten. I allen Kartons und Taschen wurde nachgeschaut ob sich was verdächtiges darin befindet. Vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse kann ich das sogar nachvollziehen. Wir haben uns also schon auf eine lange Zeit eingerichtet. Pro Block verstrichen ca. 20 Minuten. Die Schlange nach hinten wurde auch immer länger, die Schweizer AIX OrientExpress standen kurz hinter uns. Gespräche unter Rallyefahrern. Die Schweizer sind coole Typen.
dann kam das was keiner von uns erwartet hatte. Natürlich werden wir von dem einen oder anderen angesprochen, wo kommen wir her, wo wollen wir hin, und warum? So auch zwei Grenzer der Türkei. Sie fragten uns wieviele Autos wir wären. Unsere Antwort: „Wir sind mit zwei Autos da, zwei weitere Teams mit 3 und 2 Autos waren kurz hinter uns.“ Ok, sagte er und zeigte auf ein vergittertes Tor. Es handelt sich um die Diplomaten Durchfahrt. An der Schlange vorbei sind wir dann als VIP direkt zur Grenzkontrolle Türkei gefahren. Ein schönes Gefühl. Die Sonderaufgabe, ein Foto mit dem Aufkleber der Käsealm und einem Behördenvertreter, konnten wir mit den netten Offiziellen der Türkei auch gleich erledigen. Die Passkontrolle war freundlich, wir haben viel gelacht, die Zollbeamten haben sich auf den Fahrzeugen verewigt. Die obligatorische Kontrolle der Fahrzeuge habe es aber auch. Und dann der Schock. Wir haben 20 Notebooks und Tablets für eine Schule in der Türkei dabei. Was wir als soziales Projekt sehen endete plötzlich in Einfuhr- und Zollbestimmungen.
Noch kurz zur Historie. Mein geschätzter Kollege Yavuz versucht den Dialog mit Bürgermeistern und Schulen entlang unserer Route. Wir möchten ja nicht überraschen sondern sinnvoll unseren Beitrag für das Projekt „Schule ans Netz“ leisten. Ich habe also ein Brief ausgesetzt den Yavuz hat diesen dann in türkische übersetzt und per eMail an die Bürgermeister gesendet.
Diese eMail habe ich dann den Grenzbeamten gezeigt. Mehr hatte ich außer das was ich versucht habe in englisch zu erklären. Erfahrungsgemäß wird englisch schlecht verstanden. Eine Mischung aus Deutsch, Händen und Füssen war die zweite Option. Aber es ging dann doch kurz und schmerzlos. Mit dem Hinweis bei der nächsten Anreise max. 1 Notebook oder Tablet einzuführen wurden wir verabschiedet. Um 13:30 hatten wir türkischen Asphalt unter den Reifen. Die Weiterfahrt nach Istanbul lief problemlos. Naja fast. Die beiden Wüstenschiffe steuerten im Formationsflug auf Istanbul zu als wir ein grünes Strassenschild bemerkten. Verdammte Naht, wir sind auf ein Stück Autobahn gekommen. Ich bin überzeugt, nein ich weiß, wir sind nicht die einzigen denen das passiert ist. Es kam was kommen musste, ein Scan der Nummernschilder für die Maut. Die nächste Abfahrt in 6 km Entfernung hatte dann sozusagen das Gegenstück zu bieten. Ein Scan der Nummernschilder und ein plötzlich Blinken und Hupen von Signaleinrichtungen. Hier fährt jemand ohne zu bezahlen. Nein, hier fahren zwei Autos ohne zu bezahlen. Augen zu und durch. Mal sehen ob demnächst ein Schreiben vom OB aus Istanbul bei Simone im Briefkasten liegt. Denn sie ist Fahrzeughalter bei beiden Fahrzeugen.
Ok, wir waren wieder auf Track. Aus Sicherheitsgründen ist das Fahrerlager dieses Jahr nicht bei der blauen Moschee, sondern in der Nähe des Hafens. Die Hinweise um den Platz zu finden waren mehr als dürftig. Oriental Mode halt. Womit wohl keiner so richtig gerechnet hat, die Straße wo wir zum Fahrerlager abbiegen sollten war eine Baustelle und deswegen gesperrt. Man konnte nicht abbiegen sondern war automatisch in einer Schleife die einen wieder zurück in Gegenrichtung manövrierte. Ws macht man dann in solch einer Situation? Die nächste rechts abbiegen, links, links und noch mal links und dann einen neuen Versuch. Nicht in Istanbul, nicht in der Altstadt und schon gar nicht bei der türkischen Autofahrer Mentalität. Es war die Hölle, die Straßen mit Autos in einer Art und Weise verstopft dass man denken konnte es handelt sich um einen Verwertungshof wo die Autos durch die Presse gehen. Der Ton an den Funkgeräten hatte langsam auch dieses gewissen Pegel wo Scherze mehr als unerwünscht waren. Adrenalin, Testosteron und sonstige Gefühlserreger hatten jetzt Hochkonjunktur. Das sind die Situationen die Teams den Todesstoß versetzen können. Wir starteten den 4. Versuch diese verdammte Ausfahrt zu finden. Es ist in der Türkei üblich durch Hupen die entsprechende Aufmerksamkeit zu erlangen. Dafür waren wir ja nun entsprechend gerüstet. die 150db Hörner schallten durch Sultanhamet als gäbe es keinen Morgen. Interessant trotzdem wie unbeeindruckt sich die meisten verhalten haben.
Aber man mag es kaum glauben, wir haben die Ausfahrt gefunden, die Hinweisschilder waren gut gemeint, die Anbindung, bzw, die Möglichkeit sie auch zu sehen mehr als unterirdisch. Allgäu-Orient-Rallye like eben. Dann die nächste, naja sagen wir mal, Überraschung. wir waren das fünfte oder sechste Team auf dem Platz. Zu unserer weiteren Verwunderung waren die bisher angekommen Teams in einer Ecke des Platzes der, schätzen wir mal die Größe von 4 – 6 Fussballfeldern hat. Nicht verwunderlich dass man sich zusammen rottet. Verwunderlich ist nur die Tatsache, dass der Eingang zu den Waschräumen und Toiletten genau auf der anderen Seite des Platzes ist. Auf die Frage warm man denn nun dort ist und nicht dort, der Klassiker: „Herdentrieb“ Das typisch deutsche Problem. Mit 50% Frauenquote im Team 78 war die Diskussion ob wir denn bei den anderen auch unsere Zelte aufschlagen wollen um uns der Herde anzuschließen überdrüssig. Ein bisschen einsam, aber nah an den lebenswichtigen menschlichen Bedürfnisräumen haben wir unser Nachtlager aufgeschlagen. Mit einer Zeltplane zwischen den Autos hatten das optimale Regensegel, später Sonnensegel.
Nachdem wir uns häuslich eingerichtet haben, allen Ballast in den Zelten verstaut um in den Omegas zu schlafen, sind wir Essen gegangen. Auch dieser Weg ist ein wenig beschwerlich was die Distanz anbelangt. Da war der Platz hinter der blauen Moschee mehr als optimal, er war perfekt. Und schöner als gefühlt 5 qkm Betonfläche auch.
Im Restaurant mit den typischen türkischen Speisen (und Free Wifi) haben wir noch einigen anderen Teams die durch Istanbul herumirrten noch schnell ein paar Hinweise gegeben wo sie denn fahren müssen um den gemeinschaftlichen Frieden in den Fahrzeugen nicht weiter zu strapazieren. Das Champions League Spiel Bayern München gegen Athletico Madrid wurde übertragen. Ein deutschsprechendere Türke der jahrelang in Kiel gewohnt hat kam auf uns zu, fragte das eine oder andere sehr interessiert und sagte mir dann das er mit seinen Freunden zusammen 5.000 türkische Lira auf die Bayern gesetzt hat. „Kann man machen“ entgegnete ich. Simone gab mir einen Stups an die Seite damit ich meinen Satz nicht zu Ende sagen soll. Ich hatte verstanden. Ich korrigierte mich warum er mit der Kohle nicht lieber den Kamin angezündet hat, dann wäre es wenigstens schön warm. Ich sollte Recht behalten, das Geld war im Abfluss. Irgendwie ist dieser Tag doch noch ein ganz schöner geworden. Mia san mia nicht mehr. Bis später.
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Separat und ein wenig abseits hinstellen ist sicherlich eine gute Idee….. so sicherheitstechnisch…..

Sehr guter Bericht – weiter so! Ich bin bei euch, tagtäglich und stündlich, was schreibe ich?! MINÜTLICH!